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Der erste Jahrgang der "Land­wirt­schaftlichen Winterschule zu Lüchow" 1905/1906. In der ersten Reihe sitzen (ab Vierter von links): Lehrer Weede, Direktor Heinemann, Lehrer Schulz und der Rechtsanwalt und Notar Mosler, die den ersten Jahrgang unterrichteten.
Die "Mädchenklasse":
Eine Aufnahme aus den 40er-Jahren
Das alte Schulgebäude in der Gartenstraße:
Heute beherbergt es Büros des benachbarten Finanzamtes.

Aus der EJZ 1955

Artikel in der Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 28. November 1955 über die 50-Jahr-Feier der Landwirtschaftsschule:

In einem würdigen Festakt gedachte man der Gründer und der Lehrer, die in den vergangenen fünf Jahrzehnten der bäuerlichen Jugend, das Rüstzeug für ihren Beruf vermittelten und damit ganz wesentlich dazu beitrugen, dass sich das Gesicht unserer Landwirtschaft so verändert hat, wie es im Zeitalter von Wissenschaft und Technik notwendig ist. An die Stelle der patriarchalischen Form ist der moderne Betriebsführer getreten, von dem enorm viel verlangt wird. Diesen Typ des modernen Landwirtes will die Landwirtschaftsschule formen und sie kann auf diesem Gebiete beste Erfolge vorweisen und mit Stolz auf die Reihen hochqualifizierter Landwirte weisen, die einstens in der Gartenstraße die Schulbank gedrückt haben.


Elbe-Jeetzel-Zeitung vom
28. November 1955:


Dem jungen Bauernsohn für sein Schaffen die Wissensgrundlagen zu vermitteln, ist, wie der Direktor der Schule, Landwirtschaftsrat Niemann, in seiner Ansprache sagte, das Hauptanliegen der Schule. Sie will aber darüber hinaus den jungen Menschen zum vernünftigen Denken erziehen, seinen Charakter bilden und ihm die Liebe zum Bauerntum ins Herz pflanzen. Und das besonders heute, in einer Zeit, da die Menschen nach leichtem Erfolg streben, ohne dabei glücklicher als ihre Vorfahren zu werden. Die Befriedigung in der täglichen Arbeit sei das Wichtigste, was wir auch in unserer Jugend stärken müssten.

100 Jahre Landwirtschaftsschule
Lüchow-Dannenberg

Berichte aus der Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 04.06.2005

"Den Typ des modernen Landwirts formen"

1905 startete die Winterschule

by Lüchow. »Wie kann zum Beispiel vom Landwirt die richtige Anwendung des Kunstdüngers verlangt werden, ohne dass er Kenntnis über die Zusammensetzung und Wirkung des Düngers besitzt, wenn er überhaupt nicht weiß, was die Pflanze zum Gedeihen nötig hat und wie die Pflanze ihre Nahrung aufnimmt und verarbeitet. (..) All die vielen Schwierigkeiten wird der Landwirt leichter überwinden können, und all die vielen Fragen, welche sich ihm in der Berufsausübung aufdrängen, werden sich leichter aufklären lassen, wenn er sich auf eine gute fachliche Ausbildung stützen kann. Wenn auch die Praxis die beste Lehrmeisterin ist, und wenn auch die praktische Tätigkeit in der Landwirtschaft die erste Bedingung für alles Vorwärts- kommen bildet, so sind doch jene Zeiten längst vorüber, wo die praktische Anwendung allein genügen könnte.»

Diese Sätze stammen aus einem Flugblatt, mit dem Landwirte im Juli 1905 mit den Aufgaben und Zielen einer in Lüchow zu errichtenden landwirtschaftlichen Winterschule bekannt gemacht wurden. Im November war es dann so weit: Die Landwirtschaftliche Winterschule Lüchow begann mit 35 Schülern und sieben Hospitanten. Das ist nun 100 Jahre her, die Schule gibt es nach wie vor. Rund 3000 Schüler und Schülerinnen haben seit 1905 die Landwirtschaftsschule absolviert, die mittlerweile »Einjährige Fachschule Agrarwirtschaft» heißt und Teil der Berufsbildenden Schulen Lüchow ist.

Die Landwirtschaftliche Winterschule war ein freiwilliges Fortbildungsangebot für die jungen Landwirte, die - meist auf dem elterlichen Hof - die Praxis gelernt hatten. Aufgenommen wurden Schüler ab dem 15. Lebensjahr, die Hospitanten waren bereits über 20 Jahre alt. Pro Semester waren 40 Mark Schulgeld zu zahlen, und die Schüler bezogen für die Wintermonate meist Quartier bei Bürgern der Stadt.
Der erste Jahrgang dieser Winterschule wird von Direktor Heinemann, den Lehrern Schulz und Weede, dem Tierarzt Nitschke und dem Rechtsanwalt Mosler in folgenden Fächern unterrichtet: Chemie und Physik, Tierzucht, Pflanzenbau, Betriebslehre, Buchführung, landwirtschaftliches Rechnen, Verwaltungs- und Gesetzkunde, Deutsch, einschließlich Lesen der Land- und Forstwirtschaftlichen Zeitung, Rechnen, Geometrie, Feldvermessen, Nivellieren und Pflanzen zeichnen sowie Religion. Gelehrt und gelernt wird zunächst im Schützenhaus bis die Schule im November 1906 das von der Stadt errichtete Gebäude in der Gartenstraße 6 bezieht. Nebenamtliche Lehrkräfte sind viele Jahre die Regel, die Schule erhält erst 1928 die erste planmäßige Landwirtschaftslehrerstelle. Im April 1920 kommt die Landwirtschaftliche Winterschule in die Trägerschaft der Land­wirt­schaftskammer. Dabei wechselt sie auch ihren Namen in »Land­wirt­schaftsschule und Wirtschaftsberatungsstelle». Denn die Landwirtschaftsschule ist eben nicht nur eine Schule. Die Lehrkräfte, die im Winterhalbjahr unterrichten, sind im Sommerhalbjahr als Berater der Kammer tätig. Es gilt, die Fortschritte in der Landwirtschaft auch in den Dörfern und auf den Höfen zu verbreiten. Mit Erfolg. So gehen aus der Schule auch die heutigen Versuchs- und Beratungsringe hervor.

Ab 1926 entwickelt sich auch die »Mädchenabteilung», die spätere Abteilung Hauswirtschaft, die der Partnerin des Betriebsleiters das notwendige Rüstzeug verschaffen soll. »Landwirtschaftliche Betriebslehre, Buchführung und Geschäftsverkehr, Tierhaltung und Ernährung helfen inhaltliche Zusammenhänge klären. Betriebslehre des Haushaltes, Haus­halts­buchführung, Arbeitslehre und Technik vermitteln Kenntnisse, die der Rationalisierung dienen», schreibt Sigrid Beermann im Heft zum 75-jährigen Schuljubiläum.

Nach dem Krieg wird im Sommer 1945 zunächst nur die Wirt­schafts­beratungsstelle wieder eröffnet. Erst im Herbst 1946 wird auch der Unterricht wieder aufgenommen - mit 68 Schülern in einer Klasse. Unterrichtsraum ist, wie bei der Gründung der Schule, der kleine Saal des Schützenhauses. Britische Truppen geben das Schulgebäude am in er Gartenstraße erst im Sommer 1947 frei. Im folgenden Schuljahr besuchen 104 Schüler die Landwirtschaftsschule und zwischen 1948 und 1955 gründet die Landwirtschaftsschule insgesamt acht Beratungs- und Versuchsringe. Zudem bestreiten die Lehrkräfte Vorträge auf den Versammlungen des Landvolks, der Beratungsringe, der Ortsgruppen des Vereins ehemaliger Landwirtschaftsschüler, der Landjugendgruppen, der Milchkontrollvereine sowie auf den Dorfsprechabenden. Die Schule ist auch bei Feldrundfahrten beteiligt.

Das dritte Aufgabengebiet neben der Lehre und Beratung ist die Betreuung und Förderung der fachlichen Berufsausbildung, wie Tagungen für Lehrherrn, Schulungen der Lehrlinge. Und im März 1954 wird von der Schule die erste Arbeitsgemeinschaft für Landwirtschaftsgehilfen zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung eingerichtet. Im November 1955 wird das 50-jährige Bestehen der Landwirtschaftsschule gefeiert, und es kommen die ersten Spenden für einen Neubau zusammen. Fünf Jahre später, am 12. Juli 1960, erfolgt der erste Spatenstich für das neue Schulgebäude in der Königsberger Straße. Ab Januar 1962 wird im Neubau unterrichtet. Direktor Dr. Fritz Schmidt - der fünfte Direktor seit den Anfängen und bis 1970 im Dienst - umreißt die Aufgabenstellung der Schule mit dem Wort »Be­triebs­leiterschule». In letzter Konsequenz sei es die Aufgabe, die jungen Landwirte auf die Prüfung zum Landwirtschaftsmeister vorzubereiten. Die 70er-Jahre bringen die Trennung von Schule und Beratung: Der Doppelberuf des Landwirtschaftslehrers und Wirtschaftsberaters wird Vergangenheit, ebenso die Ära der Wintersemester. Landwirtschaftsschule und Landwirtschaftliche Berufsschule kooperieren, die einst selbstständige Landwirtschaftsschule wird in den großem Komplex »Berufsbildendende Schulen» integriert und Teil der Abteilung III - Land- und Hauswirtschaft, Ernährung. Die Trägerschaft wechselt von der Landwirtschaftskammer zum Landkreis.

Die Zeiten, in denen 100 und mehr Schüler die Landwirtschaftsschule besuchten, sind lange vorbei. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft hat auch hier seine Spuren hinterlassen, 100 Jahre nach Gründung der Schule besuchen noch sieben Schüler und eine Schülerin diesen Bildungsgang. Anfang der 80e-Jahre und von 1994 bis 1997 ruht die Schule. In den Jahren dazwischen profitiert sie von der Benennung Gorlebens als Standort für die Atommüllentsorgung und den damit verbundenen Protesten. Davon angezogen, suchen sehr viele Schüler aus allen Teilen der Bundesrepublik Lehrstellen auf landwirtschaftlichen Ausbildungsbetrieben im Landkreis. Einige dieser Schülerinnen und Schüler absolvieren anschließend auch die Fachschule und schlagen hier feste Wurzeln.

Seit Ende der 90er-Jahre erreichen die Schülerzahlen an der Fachschule Landwirtschaft die »untere Toleranzgrenze». Ursachen sind der Strukturwandel sowie die wesentlich höheren Anforderungen an die Leiter von Großbetrieben in der Landwirtschaft. So ziehen junge Hofnachfolger häufig eine akademische Ausbildung vor. Vor diesem Hintergrund ist geplant, die Einjährige Fachschule Agrarwirtschaft künftig in einem zweijährigen Rhythmus anzubieten.

»Durch Rat und Tat unterstützen»

Erster Jahrgang der Winterschule gründete Verein ehemaliger Landwirtschaftsschüler

by Lüchow. Um »unter den ins praktische Leben übergetretenen Schülern, die während der Schulzeit geschlossene Freundschaft, das gute Einvernehmen und das Band der Zusammengehörigkeit zwischen Schule, Lehrern und Schülern wach zu halten und zu fördern» und »so weit es in den Kräften des Vereins steht, das Interesse der Schule, Lehrer und Schüler durch Rat und Tat zu unterstützen», gründeten 27 Schüler des ersten Jahrgangs 1905/06 der Landwirtschaftsschule den »Verein ehemaliger Schüler der Landwirtschaftlichen Winterschule Lüchow» (VEL). Auch diesen Verein gibt es noch.

Viele Jahre lang war es selbstverständlich, als Ehemaliger auch dem Ehemaligen-Verein beizutreten. Der wuchs derart rasant an, dass sich nach und nach Ortsgruppen gründeten: Trebel und Clenze als erste 1919, später Küsten und Lüchow, Lemgow 1949, Waddeweitz 1955 und zuletzt Gartow 1959.

Doch längst ist es nicht mehr so selbstverständlich wie einst, dem Verein beizutreten. Neuaufnahmen sind eine Seltenheit, der Verein ist ein »auslaufendes Modell» sagt Herwald Schulze aus Schreyahn von der Orts­gruppe Lüchow.

Für ihn, der dem Schuljahrgang 1952/53 angehört, war es schlicht »Ehrensache», dem VEL beizutreten. Gemeinsame Aktivitäten wie Ausflüge und Feldrundfahrten brachten Abwechslung in den bäuerlichen Alltag, und der VEL-Ball war der Ball: »Immer brechend voll, der Schützenhaussaal hat gewackelt, das waren unvergessene Bälle». Zwanzig Jahren später waren die Zeiten schon etwas anders. Ernst-Eckhard Kunitz aus Saaße, heute Vorsitzender des VEL-Hauptvereins, erinnert sich, dass aus seiner Klasse nur etwa die Hälfte Mitglied im VEL wurde, »damals ging das Abseilen schon los». Er erinnert sich an sein Jahr Fachschule 1971/72 als »die beste Zeit meines Lebens»: Nur Schule, keine Arbeit auf dem Hof, Zusammensein und Austausch mit 20 anderen jungen Landwirten aus dem gesamten Kreisgebiet, Reisen nach Holland und Ungarn. »Du kamst ja sonst nicht raus», erinnert Kunitz. Die Schule hatte Horizonte geöffnet, die »tolle Kameradschaft» galt es anschließend im VEL fortzusetzen.

Doch die Zeiten haben sich geändert, Vereine wie der VEL sind nicht mehr das Vehikel für eine Unterbrechung im Alltag. Die Bindungen - auch an die Schule - sind lockerer geworden. Damals gehörte die VEL-Mitgliedschaft dazu, »heute gehört nichts mehr dazu», fasst Ernst-Eckhard Kunitz die Veränderungen zusammen. Die meisten der früheren Aktivitäten sind eingeschlafen, wenn auch einzelne VEL-Gruppen immer noch Ausflüge anbieten. Manchmal muss die 90 Mitglieder starke Lüchower Ortsgruppe dafür sogar zwei Busse anheuern. Die Bälle gibt es gar nicht mehr, das Interesse ließ nach und die Musik wurde zu teuer.

So lebt der VEL Hauptverein weiter still vor sich hin, vielleicht wird er eines Tages wieder zum Auffangbecken für die verbliebenen Mitglieder in den kleiner werdenden Ortsgruppen, mutmaßen Ernst-Eckhard Kunitz und Herwald Schulze.

 

»Nur einer unter vielen»

Seit 1950 sank die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe im Kreis von 4954 auf 778

by Lüchow. Schon auf der 50-Jahr-Feier der Landwirtschaftsschule 1955 war vom Strukturwandel der Landwirtschaft und den Folgen für die Region die Rede. Der damalige Landtagsabgeordnete Pastor Schönfelder hob hervor, »dass sich in 100 Jahren der Anteil der Bauern in der Gesamtbevölkerung von 70 auf 17 Prozent verringert hat, so dass der Bauer heute nicht mehr der Stand im Volke, sondern nur einer unter vielen ist.» Diese Entwicklung hat sich seitdem noch verstärkt.

Zur Erinnerung: 1895 gab es im Landkreis 9267 Höfe, 1925 noch 8575 und für 1950 weist die Statistik 4954 landwirtschaftliche Betriebe aus. Seitdem nahm die Zahl der Höfe auf 778 (im Jahr 2004) ab, so »wie nie zuvor in der Geschichte der Landwirtschaft», schreibt Dr. Friedrich Schlumbohm. »Einstmals sichere Lebensgrundlagen für Familien im ländlichen Raum gingen für immer verloren.»

1950 lag die durchschnittliche Betriebsgröße bei 12 Hektar, im Jahr 2004 sind es 78 Hektar. Ab 1960 wurden die Betriebe bis 20 Hektar aufgegeben, das traf ab 1970 auch auf die nächste größere Gruppe bis 50 Hektar zu. Wachsen oder weichen mussten nun auch einst sichere Betriebe.

Fast 70 Prozent der rund 61000 Hektar landwirtschaftlichen Nutzfläche im Landkreis werden von insgesamt 234 Betrieben bewirtschaftet, die größer als 100 Hektar sind. Von genau 2001 Milchviehhaltern im Jahr 1970 sind im Jahr 2002 noch 304 übrig. Sie halten mit 9023 Kühen nur noch gut halb so viel Tiere wie ihre Vorgänger vor 32 Jahren. Der durchschnittliche Bestand stieg in diesen Jahren von 9 auf 30 Tiere. 44 Betriebe haben mehr als 50 Kühe.

Ähnlich sieht es bei den Betrieben mit Sauen aus. Von den 2830 Haltern des Jahres 1970 sind 2002 nur noch weniger als ein Zehntel, nämlich 253 übrig. Die Zahl der Tiere reduzierte sich von 14460 auf 9237 Tiere, 57 Betriebe halten mehr als 50 Sauen.

Dr. Schlumbohm sieht dennoch trotz des enormen Drucks durch die Globalisierung der Märkte und oft nicht begründbarer Auflagen des Gesetzgebers »gute Chancen» für die jungen Landwirte, »sofern eine gute praktische und theoretische Ausbildung durchlaufen wird». Die stark wachsenden Betriebe eröffneten den verbleibenden Landwirten über die bessere Ausnutzung des technischen Fortschritts neue Möglichkeiten, die zuvor verschlossen waren. Wichtiger denn je sei die Ausbildung in den Bereichen Betriebswirtschaft, Produktionstechnik und Finanzwirtschaft einschließlich kaufmännischer Bereiche und in größeren Betrieben auch Personalführungsqualitäten.