17.11.2009 EJZ
by Lüchow. "Wenn ich knallhart wäre, dann würde ich ein rot-weißes Absperrband ziehen - und dann gibt es eben keine praktische Ausbildung mehr." Ilka Burkhard-Liebig, Leiterin der Berufsbildenden Schulen (BBS), wurde in der Sitzung des Schulausschusses des Kreistages deutlich: Angesichts der "desolaten Sicherheitszustände und Gesundheitsrisiken" für Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte in den Werkstätten der BBS sei sie nicht mehr bereit, die Verantwortung zu tragen.
Als "Unternehmerin dieser Schule“ stehe sie eigentlich mit einem Bein im Gefängnis. Als die Schulleiterstelle an der BBS ausgeschrieben worden war, hätten sich ihre Mitbewerber die Schule angeschaut und gleich wieder kehrt gemacht. Sie sei sehenden Auges dabei geblieben - und das sei nun ihr Dilemma, sagte Burkhardt-Liebig. Für die Berufsorientierung und Grundausbildung sei es hinzunehmen, wenn die Ausstattungen in den BBS-Werkstätten antiquiert seien, sie dürften aber nicht lebensgefährlich für die Nutzerinnen und Nutzer seien, betonte Burkhardt-Liebig. Sie fordere dringend die "sicherheitstechnische Sanierung der Werkstätten, um die gravierenden und lebensbedrohlichen Mängel etwa in der elektrischen Anlage - es fehlen Not-Aus-Schalter - und in den Absauganlagen von Gasen und Stäuben zu beheben." Der Landkreis als Schulträger wisse um die fehlende Arbeitssicherheit. Der allerdings hatte, wie auch die Schule, "mit einem guten inhaltlichen Konzept" auf finanzielle Hilfe aus dem Konjunkturpaket II gehofft - vergeblich, wie nun klar ist. So sieht der Landkreis zwar Handlungsbedarf, verweist aber auf das Problem der Finanzierung. Burkhardt-Liebig verwies auf Gutachten der Fachkraft für Arbeitsschutz der Landesschulbehörde sowie der Baugenossenschaft, die einen "katastrophalen baulichen Zustand" der Werkstätten mit "hohem Unfall- und Gesundheitsrisiko" festgestellt hätten. Einige der Kritikpunkte:
unzureichende Beleuchtung,
zu niedrige Temperaturen in den Fachräumen und Werkstätten,
unzureichende Lärmdämmung,
Fußböden entsprechen nicht den Normen,
seit Jahren haben die jährlich vorgeschriebenen Überprüfungen der über 3000 elektrischen ortsveränderlichen Geräte nicht stattgefunden,
auch die ortsfesten Geräte wurden nicht überprüft, alte Kabel liegen blank, sind gebrochen,
die Absauganlage in der Tischlerei ist in katastrophalem Zustand, die vorgeschriebene Überprüfung in zweijährigem Rhythmus sei nie erfolgt,
die Tore in den Werkhallen seien wegen der hohen Quetschgefahr nicht zulässig,
auch durch die unzureichende Absauganlage im Kfz-Bereich seien Schüler und Beschäftigte gesundheitlichen Risiken ausgesetzt.
Die Mitglieder im Schulausschuss waren sichtlich geschockt von Burkhardt-Liebigs Bestandsaufnahme. Bislang hatten sie die Ausstattung der Werkstätten zwar für "prähistorisch", aber nicht auch für lebensgefährlich gehalten. Norbert Schwidder (SPD) schlug vor, angesichts des fehlendes Geldes Kooperationen mit den Firmen einzugehen, damit die Schülerinnen und Schüler an den Maschinen der Firmen arbeiten können. Dr. Rainer Bartholomai als Leiter des Gymnasiums verwies darauf, dass der Schulträger nun die Verantwortung trage, seine BBS-Kollegin sei ihrer Verantwortung nachgekommen, indem sie den Landkreis auf die Lage aufmerksam gemacht habe. Laut Burkhardt-Liebig haben sich bislang alle Verantwortlichen - in der Schule wie beim Schulträger - an einer Lösung vorbeigedrückt, denn schließlich hätten die Schüler dennoch gute Prüfungsergebnisse erzielt.
Ausschussvorsitzender Wilhelm von Gottberg (CDU) hörte mit Erstaunen und Entsetzen, dass der Landkreis vorgeschriebene Überprüfungen nicht gemacht habe, "und mich als Bürgermeister knechten sie jedes Jahr". Für "unverantwortlich" hielt er dieses Vorgehen. Er fordert, dass umgehend die wichtigsten Sanierungen vorgenommen werden müssten, damit die Schule nicht schließen müsse. Der Ausschuss schloss sich an.