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19.06.2013 EJZ

Es geht auch um die Existenz

In den BBS-Bereichen Hauswirtschaft und Pflegeassistenz fehlen Schüler

tl Lüchow. Die Berufsbildenden Schulen (BBS) Lüchow werden im kommenden Schuljahr in einigen Fachbereichen Schülermangel haben. Vor allem für die einjährige Berufsfachschule Hauswirtschaft und Pflege gibt es nur wenige Anmeldungen.

Vorurteile wie »Da wird doch sowieso nur gekocht und geputzt» oder »Da verdient man doch eh nichts mit» gibt es zur Genüge. Zu wenig Ausbildungsplätze in Lüchow-Dannenberg sind ein weiteres Manko.

Die beiden Schülerinnen Kira von Knobelsdorff und Tiziana Dippe haben sich für den Schwerpunkt Hauswirtschaft entschieden. »Wir wollen unseren Realschulabschluss nachholen», erzählen die beiden. Das Problem: Für den erweiterten Realschulabschluss müssen sie nach Uelzen, denn: Seit drei Jahren wird das dafür notwendige zweite Fachschuljahr nicht mehr in Lüchow angeboten - es gibt schlichtweg zu wenig Interessierte. Mindestens 14 bräuchte man. Aus der Schule heißt es, dass zum einen von vornherein zu wenig Schüler da seien und dass zum anderen ein großer Teil die Voraussetzungen für das zweite Schuljahr nicht schaffe. Konkrete Anmeldezahlen für das kommende Schuljahr wolle man nicht nennen: »Die sagen nichts aus», meint eine Lehrerin. Nur so viel: Es gibt - trotz verstrichener Anmeldefrist - noch einige freie Plätze.

Trotzdem sind die 23-jährige Dippe und die 21-jährige von Knobelsdorff begeistert, denn vor allem der Praxisunterricht habe es ihnen angetan. Kochen, bügeln, backen, das sei nicht nur etwas für Frauen, sagen die beiden. Tatsächlich: Die zwei haben männliche Mitschüler. Können sie sich vorstellen, warum sich immer weniger Schüler für die Berufsschule mit dieser Fachrichtung interessieren? »Hauswirtschaft will keiner mehr», meint von Knobelsdorff. »Die stellen sich alle nur vor, dass man putzt und kocht. Aber man kann sich auch in verschiedenen Bereichen weiterbilden, kann in Kinderheime gehen, in soziale Berufe», erklärt Dippe. Schülermangel also, weil der Beruf Hauswirtschafterin so klischeebelastet ist?

Gudrun von Hofe, Lehrerin für Fachpraxis, kann nur Vermutungen anstellen, woran das liegt: »Die Vorurteile sitzen immer noch in den Köpfen der Leute. Die Gesellschaft muss diesen Beruf endlich wieder anerkennen.» Auch die Verdienstmöglichkeiten sind da nicht gerade förderlich. In Niedersachsen liegt der Verdienst einer Hauswirtschafterin brutto bei 1200 Euro monatlich. »Das sind zwar keine Spitzenver- dienste», hält von Hofe dem entgegen, »aber der Beruf setzt auch kein Abitur voraus.» Es sei immerhin besser als früher, meint die Lehrerin.

Die vier Schülerinnen Lana Rieck, Dana Stoedter, Laura Zunder und Ekaterina Licht haben sich auf den BBS den Schwerpunkt persönliche Assistenz ausgesucht. Altenpfleger wäre eine mögliche Berufsperspektive für die Vier. Lana Rieck erfüllt mit der einjährigen Berufsfachschule ihre Schulpflicht. Auch dafür ist der Schulzweig gut. Dana Stoedter glaubt, dass vor allem der Beruf Altenpfleger Zukunft habe, »weil immer mehr ältere Menschen in der Umgebung wohnen». Laura Zunder sagt, dass der Beruf völlig unterbezahlt sei. Dem stimmt Ekaterina Licht zu. »Altenpflege ist körperlich und seelisch anstrengend», sagt sie zudem. Und klischeebelastet: »Alle glauben, man muss alten Menschen den Hintern abwischen. Aber das stimmt nicht. Man beschäftigt sich mit ihnen, unterstützt sie in ihrem Alltag.» Wieder: Vorurteile, geringe Verdienstmöglichkeiten.

Haben die Berufe ein Image-Problem? Problematisch sei auf jeden Fall, dass es zu wenig Ausbildungsplätze vor Ort gebe. Iris Thomsen von der Uelzener Bezirksstelle der Landwirtschaftskammer Niedersachsen legt es offen: »Wir haben zurzeit nur einen regulären Ausbildungsbetrieb für Hauswirtschaft im Landkreis Lüchow-Dannenberg.» Ein zweiter Betrieb bilde nur intern aus, informiert Thomsen. Das sei viel zu wenig, moniert sie.

Bleibt eine Frage: Wie kann man dem Dilemma entgegenwirken? Eine Antwort darauf hofft die Landwirtschaftskammer mit dem Ausbildungsverbund »Cook and More» zu finden. Eine zentrale Ausbilderin unterstützt Betriebe, wo Ausbildungskompetenz sowie -berechtigung Lücken aufweisen. Das Projekt ist erst einmal bis Mitte 2015 befristet.

Und was kann die Schule tun? Karola Ebeling, Koordinatorin der Schulformen für Soziales, Land- und Hauswirtschaft, plädiert für eine Vernetzung mit anderen Schulformen, die auch den Bereich Hauswirtschaft anbieten. Gehandelt werden sollte schnell, denn Ebeling blickt immer schon in eine Richtung: Hat die Schulform denn noch eine Daseinsberechtigung oder nicht? »Fakt ist: Die Schülerzahlen gehen zurück. Und damit gibt es auch immer weniger Hauptschüler», sagt Ebeling. Die kämen nämlich vorrangig zur Hauswirtschaft.

Ein Dilemma: Eigentlich sollte man sich über mehr Schüler mit höherem Abschluss freuen, doch für die BBS bedeutet das Zukunftsängste. Karola Ebeling weiß im Moment noch nicht, ob sie mit Hoffen und Bangen die Schulform letztendlich in Lüchow halten kann. Denn Fakt ist auch: Die BBS Lüchow haben schon mehrere Fachbereiche komplett nach Uelzen abgegeben.